Andrade - der Pele seiner Zeit

Es zwar an einem glutheißen Sonnentag des Jahres 1924, man schrieb den 25.Mai. Das olympische Fußballturnier in Paris hatte begonnen, Zum erstenmal tauchte ein südamerikanisches Land auf, Uruguay. Niemand im guten alten Europa nahm den Neuling ernst; die meisten wußten nicht einmal, daß auch in Südamerika Fußball gespielt wurde. Als Uruguay gegen Jugoslawien antrat, verliefen sich die knapp 5000 Zuschauer im Stade de Colombes. Das 7:0 (3:0) der "Urus" war eine Sensation - der weitere Weg der Elf mit Siegen über die USA (3:0), Frankreich (5:1), Holland (2:1) und im Finale gegen die Schweiz (3:0) geradezu unfaßbar. Ergraute Experten entdeckten ein Fußballand - mehr noch, einen unvergeßlichen Spieler. Er hieß José Leone Andrade. Der gutgewachsene Neger war der einzige Farbige in seiner Mannschaft, ja der erste überhaupt, der in Europa an einem Länder spiel teilnahm. Andrade war 22 Jahre alt und spielte Fußball, daß die Besucher vor Begeisterung tobten. Er konnte einfach alles mit dem Ball. Er glänzte als Solist, er arbeitete für das Team, war Meister in der Defensivarbeit, könnte aber mit noch größerer Wirkung den Angtiff antreiben. Dabei spielte er so fair, so körperlos, daß ihm kaum ein Foul unterlief, Als Uruguay 1928 den Olympiasieg wiederholte - gegen Holland 2:0, Deutschland 4:1, Italien 3:2 und Argentinien 1:1 und 4:2- gab es im ersten Endspiel gegen Argentinien 25 Freistöße gegen Uruguay. Nicht einen verschuldete Andrade. 1930 gewann Urugay in Montevideo die erste Weltmeisterschaft.
Argentinien führte vor 90000 Zuschauern, damals eine sagenhafte Besuchermenge, mit 2:1, aber die zweite Hälfte gehörte Andrade, der als rechter Läufer seine Mannschaft zum 4:2 trieb. Andrade wurde zur legendären Figur des südamerikanischen Fußballs, so wie es später einmal mit Pele der Fall werden sollte.

(aus Hennes Weisweiler, Fußballweltmeisterschaft 1974)