"The circuit city of the future will not be the huge hunk of concentrated real estate...It will be an information megalopolis. What remains of the configuration of former "cities" will be very much like World's Fairs - places in which to show off new technology, not places of work or residence...If we were to dispose of the city now, future societies would reconstruct them, like so many Williamsburgs." Marshall McLuhan: The Medium is the Massage. NYC 1967 "It may be that in the future we will no longer build as we did in the past, upward and outward. We will build inward, using existing structures, real and virtual, for purposes for which they were never intended." Utopien?Für manche Zeitgenossen sollte Stadt bereits - und immer wieder - bloß noch in ihrer rudimentären Form eines historischen Disneylands existieren, das die vorhandenen materiellen Strukturen als postmoderne Kulissen für seine Theme Parks und Shopping Malls verwendet. Ob Wien oder Williamsburg , solche Orte finden ihre Identität in der Vergangenheit und in der bürgerlichen Romantik des Industriezeitalters. Tatsächlich definiert sind die Städte dieses Planeten heute durch die Vernetzung von Verkehrswegen, durch die elektronische Kommunikation, die das Global Village zum wirklichen Dorf macht, und durch die veränderten sozialen Beziehungen der Bewohner untereinander und die daraus resultierende Organisation von Verkehrs- und Informationsflüssen.Verkehr, Architektur und elektronisches Environment sind somit Räume der Kommunikation, die hier als Codierung und Decodierung von Texten verstanden werden und die visueller, akustischer, schriftlicher und sprachlicher Natur sein können, dreidimensional räumlich manifest (in Architektur und Städtebau - sofern Projekte nicht ein theoretisches Manifest auf dem Papier oder im Computer bleiben) oder immateriell und meta-räumlich als Teil der medialen Realität. Nicht behandeln möchte ich hier das Thema Stadt oder Architektur als Metapher für den elektronischen Raum, was erst kürzlich in äußerst aufschluß- und umfangreicher Arbeit von William J. Mitchell in seiner gedruckten und im World Wide Web erschienenen Publikation "City of Bits" geleistet wurde.Interessant in diesem Kontext ist auch die Frage nach der Widerspiegelung der elektronischen Kultur in der zeitgenössischen Architektur der sogenannten realen Wirklichkeit oder der "Unvirtual Reality" - und damit ihres Pontentials, Umwelt (Environment im McLuhanschen Sinn) zu schaffen. Architektur als Repräsentantin gesellschaftlicher und politischer Strukturen kann heißen, einerseits Affirmation solcher Verhältnisse darzustellen - wie dies manche Vertreter der postmodernen Architektur tun, etwa Michael Graves als Disney World’s Signature Architect mit dem Swan und dem Dolphin Hotel , oder Architektur kann andererseits solche Produkte und ihre Voraussetzungen dekonstruieren. Die Fragmentierung, die Infragestellung, die Auflösung und das Herstellen neuer Zusammenhänge von konstruiertem und zufällig entstandenem Environment kann jedoch nur mit der Kenntnis von urbaner und transglobaler (elektronischer) Kommunikation einhergehen. Eine kritische Reflexion gesellschaftlicher Realität kann nur mit der Vorstellung einer experimentellen und visionären Alternative im Bereich der Architektur und Städteplanung stattfinden, die Veränderungen unseres Daseins nicht nur voraussieht, sondern diese in künstlerischen Entwürfen bereits antizipiert. MoviesDie Darstellung fiktionaler Realität im Film hat spätestens seit Fritz Langs "Metropolis" mehr zu dieser Entwicklung beigetragen, als es heutigen VR-Machern wohl oft bewußt ist. "Some of the most imaginative architecture of the last several decades, which is of course overwhelmingly technological in nature, has been constructed for film... These movies make us believe that technology will liberate us completely from earth, gravity, scale and any traditional patterns of social bonding." Ridley Scotts mittlerweile legendärer "Blade Runner" von 1982 oder Wim Wenders "Bis ans Ende der Welt" (der z.B. Jean Nouvels nie realisierten "Tour Sans Fins" in Paris zeigt) sind Filmbeispiele der 80er Jahre, die mit der Thematik der Auflösung von Zeit, Raum und damit von Identität innerhalb eines medial kontrollierten Environments arbeiten, wesentlich unterstützt von digitaler und materieller (Modellbau)Architek tur. Eine ähnliche urbane Architektur schaffen jüngere Filme, wie der in diesem Jahr angelaufene "Virtuosity" von Brett Leonard, dessen "Lawnmower Man" das erste große Hollywoodprojekt war, das VR ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit stellte , oder James Camerons "Terminator" I und II. Gemeinsam ist ihnen, daß sie den Sprung von einer (unserer) Realität in eine andere (zukünftige oder virtuelle Realität) mithilfe von De- bzw. Materialisierungsprozessen von humanen oder künstlichen Wesen thematisieren. Der Übergang von Materie in den Cyberspace und umgekehrt (Virtuosity), die Transformierung von einer Materialität in eine andere (T2) oder die Zeitreise (T1 und T2) sind Versuche, der Destabilisierung unseres Environments entgegenzuwirken, indem es dieses obsolet werden läßt. Damit schaffen diese und ähnliche Filme die ideale Voraussetzung für die Akzeptanz einer Welt, die erst jenen Errungenschaften nachläuft, die den technologischen Fortschritt in Zukunft bestimmen sollen. Film- , Unterhaltungs-, Telekommunikations- und Elektronikindustrie investieren in ihr eigenes Wachstum, nicht in die Demokratie. Filme wie die oben genannten forcieren eine Mischung aus heutiger, real existierender Architektur (die in den Zukunftsszenarios entsprechend zeitbedingt verändert ist) und Science-Fiction-Environments, bestehend aus tribal-primitiven Settings und High-Tech-Maschinen. Digitale Anarchisten, Cyberpunks und Cyberhippies, Computernerds und Neo-Ludditen (die Söhne und Töchter der heutigen Techno-Generation?) haben dort zumindest ansatzweise eine Existenzberechtigung. In all dieser Hinsicht beziehen sich diese Movies immer noch auf ihren genialen Urahnen "Blade Runner" in seinem multikulturellen, tribalen Umfeld und bieten wenig neue Perspektiven oder Visionen. Welche Filmszene kommt in visionärer und künstlerischer Hinsicht heute schon an jene heran, in der Harrison Ford etwa in seinem halbdunklen Appartement in einem verkommenen, im Gotham-City-Stil erbauten Hochhaus sitzt, und über Spracherkennung seinem Computer mitteilt, welche Ausschnitte eines gefundenen Fotos dieser vergrößern und immer wieder vergrößern soll, bis Ford auf die Schlangen-Tätowierung am Hals der Replikantin Zhora im Spiegel des fotografierten Raumes stößt? Und wann wurden seither die komplexen sozialen und psychischen Auswirkungen des kollektiven Glaubens an die Maschinengesellschaft so visionär und gleichzeitig glaubhaft dargestellt? Das Credo "more human than human" des Replikanten-Tycoons Tyrell löst sich nämlich unerwartet auf: der Replikant Roy läßt den Blade Runner Deckard am Leben - aus Liebe zum Leben.Die Stars der Filmindustrie sind dennoch inzwischen nicht mehr die Regisseure oder gar Schauspieler, sondern die Production Designer, die für Schauplätze und Settings der Produktionen verantwortlich zeichnen, und die Spezialisten der Firmen für digitale Effekte, die wie George Lucas' "Industrial Light & Magic" (Terminator I und II, Jurassic Parc, The Mask, Disclosure, Casper, Congo, Jumanji, etc.), "Digital Domain" (True Lies, Interview with the Vampire, Apollo 13), "Sony Pictures Imageworks" ( Die Hard with a Vengeance, Johnny Mnemonic, etc.), "Kleiser-Walczak Inc." (Judge Dredd) u.v.a. nicht nur durch Spezialeffekte Filmhandlungen "realistischer" darstellen und teure Produktionsschritte erheblich verbilligen, sondern mittlerweile eben auch VR im Film darstellen. Michael Douglas' Wanderung durch die firmeneigene Datenbank mithilfe eines für ihn verbotenen Spezial-Interfaces in "Disclosure" etwa zeigt anschaulich, wie wenig es die Darstellung virtueller Environments vermag, sich von den traditionellen architektonischen Raum- und Zeitrepräsentationen wegzubewegen. Werden zwar noch keine Replikanten, bereits aber persönliche Agenten und Knowbots auf die Datenhighways geschickt, um aus dem Meer von Information jene auszuwählen, die für ihre Auftraggeber überhaupt noch brauchbar sein könnte, so ist deren Repräsentation und die Darstellung der Struktur, in der sie sich bewegen, jedoch noch kaum wirklich spannend gelungen. Meistens werden diese "neuen Sklaven" als kleine Männchen oder Tierfiguren dargestellt , um unserem traditionellem Denken entgegenzukommen. Eine Ausnahme bilden die für die Benutzer wesentlich anspruchsvolleren Arbeiten von Knowbotic Research, die mit ihrem work in progress permanente Forschungsarbeit darüber leisten, wie weitere "Naturen" neben unserer vermeintlich realen beispielsweise in digitalen Netzen repräsentiert werden könnten. Wenn wir nun nun wieder zurück auf die Interdependenz von Architektur, Städtebau und elektronischem Environment zurückkommen, so muß der nach wie vor gebauten Architektur der Jetztzeit eine breitgefächerte Auseinandersetzung mit der Digitalisierung unserer Welt abgesprochen werden. Wenige KünstlerInnen und ArchitektInnen sind bereit, dieser tatsächlichen Veränderung sämtlicher Lebensverhältnisse Rechnung zu tragen. Architektonische KonzepteVon den utopischen Architekturentwürfen der frühen 60er Jahre ausgehend, können mehrere Schwerpunkte in der zeitgenössischen Architektur und Architekturtheorie entdeckt werden, die sich mit der Gestaltung realer und virtueller Umgebung unter Berücksichtigung des elektronischen und medialen Lebensraumes beschäftigen. Die englische Architektengruppe Archigram wurde 1964 von Peter Cook, Ron Herron, Warren Chalk, Dennis Crompton und David Greene in London gegründet und beschäftigte sich mit Phänomenen der Massenkommunikation vor dem Hintergrund der Pop-Kultur. Ihre architektonischen Entwürfe wurden kaum realisiert, waren sie doch vor allem utopische Manifeste, die avancierte Technologien, Mobilität und vor allem Stadt als Lebensraum thematisierten. Peter Cooks "Plug-in-City" oder Ron Herrons "Walking City" sind wohl die bekanntesten Entwürfe jener Zeit, die die möglichen - positiven wie negativen - Auswirkungen technologischer Errungenschaften auf unsere Umwelt aufzeigten. Etwa gleichzeitg mit Archigram entstanden auch andere Architektengruppen, die sich mit Stadt- und Environment- Utopien beschäftigten. Unter ihnen sind besonders die österreichischen Gruppen Haus-Rucker-Co (Laurids Ortner, Klaus Pinter, Günter Zamp Kelp, Klaus Pinter), Coop Himmelb(l)au (Wolf D. Prix und Helmut Swizcinsky) oder Missing Link (Angela Hareiter, Otto Kapfinger, Adolf Krischanitz) zu nennen. Bereits 1976 hat zum Beispiel Cedric Price das Projekt "Generator" entworfen, bei dem sich das Gebäude vollständig nach den Wünschen der jeweiligen Benutzer verändert. Keiner bestimmten Nutzung zugeordnet, kann es für alles verwendet werden. Das Haus wird durch einen zentralen Computer gesteuert, der den Benutzer "wie ein unaufhörlicher Architekt" berät, Wände und Höhe des Gebäudes können permanent verändert werden. "Das Computerprogramm ist die eigentliche Architektur des Gebäudes." In den 70er Jahren manifestierte sich, ebenfalls vor dem Hintergrund der technologisch-konstruktiv ausgerichteten Visionen von Gruppen wie Archigram - eine sprunghafte Entwicklung des High-Tech-Bauens, wie es etwa von Richard Rogers und Renzo Piano vertreten wurde, die 1972 den Wettbeweb für das Centre Pompidou in Paris gewannen und damit erstmals ein Gebäude errichteten, das seine technischen Funktionen nicht nur nach außen hin zeigte, sondern in seiner Konstruktion eigentlich nur aus ihnen bestand: keine Wände, keine Haut, die das Außen und Innen teilte, bloß noch Information der Funktion. Ist beim Centre Pompidou noch die mechanistisch-technologisch orientierte Bauweise und Formensprache aus den Anfängen des High-Tech zu erkennen, so hat Norman Foster etwa in seiner Hong Kong Bank (1985) bereits diffizilere ästhetische Methoden eingesetzt.Intelligente Gebäude sind heute in verschiedenen Kategorien zu denken. Zum einen lassen sich hier jene Bestrebungen festhalten, die mit den sogenannten "smart materials and structures" arbeiten, d.h. mit intelligenten Materialen, die bereits im Molekularbereich auf Veränderungen in der Umwelt reagieren und sogar übergeordnete Steuerungseinheiten (wie etwa computergesteuerte Wärmeversorgung) obsolet werden lassen. Eines der mittlerweile bekanntesten Gebäude der jüngsten Zeit ist Jean Nouvels Institute du Monde Arabe in Paris, das eine lichtempfindliche und vom Sonnenlicht gesteuerte Fassade schmückt, die technologische Funktion mit arabischer Formensprache verbindet und somit das Gebäude in seinen Inhalten und Funktionen nach außen hin repräsentiert. Ein anderer Meilenstein in der Geschichte der Konstruktion von intelligenten Gebäude ist das Green Building von Future Systems (Jan Kaplicky und Amanda Levete), das mit den Umweltingenieuren von Ove Arup konstruiert wurde, und das außer seinen High-Tech- und ökologischen Qualifikationen ebenfalls eine städtebauliche und architektonische Qualität aufweist, die experimentelle Vision und funktionelle Ästhetik gleichzeitig repräsentiert. Auch hier wurde durch die Anwendung von Computersimulation bereits im Entwurfstadium das Energiekonzept (natürliche Beleuchtung, Wärme und Lüftung) untersucht und optimiert.Buckminster Fuller hat mit seinen geodätischen Kuppeln oder den ärodynamischen Untersuchungen seiner Gebäude bereits seit den dreißiger Jahren Pionierarbeit in dieser Hinsicht geleistet. Gemeinsam mit Norman Foster entwickelte er noch 1983 das "Autonomous Dwelling", das aus zwei unabhängig voneinander drehbaren geodätischen Kuppeln besteht, die sich je nach Sonnenstand und Tages- bzw. Nachtzeit öffnen und schließen und somit ein immer ideales Klima im Gebäude schaffen. So wie der Bau von Wolkenkratzern erst durch die Erfindungen der Stahlkonstruktion und des Fahrstuhls möglich wurde, so wird durch die Anwendung von Computern im Bereich der Entwurfsphase, der Materialentwicklung, der Konstruktion, der Errichtung und der Benutzung von zeitgenössischer Architektur eine neue architektonische Form entstehen, die auch die Städte in starkem Ausmaß verändern kann. Das "Tron-Haus" des japanischen Architekten Ken Sakamura kann im Vergleich dazu als eine mittlerweile obsolet gewordene Form angesehen werden, Architektur und Technologie zu verbinden und den allgegenwärtigen Computer in ein Gebäude zu integrieren. Der architektonische Entwurf, die Projektion und die Hülle bleiben dabei traditionell. Das Einfamilienhaus repräsentiert nicht nur den gesellschaftlichen Status Quo der Kleinfamilie, sondern auch den traditionellen Zugang zu Architektur und Städtebau: unreflektierte Manifestation von Häusern mit vier Wänden und einem Dach, die, in die (städtische) Landschaft gestellt, eine Mixtur aus östlichem und westlichem Konsumverhalten sind: "Nothing can be further from the spirit of the new technology than 'a place for everything and everything in its place.' You can't go home again." Medienschiffe und elektronische SchattenDer japanische Architekt Toyo Ito hat seinem Wettbewerbsentwurf für das japanische Maison de la Culture in Paris 1992 folgenden Titel gegeben: "Medienschiffe treiben auf der Seine". Das Gebäude hat eine Fassade aus elektronisch steuerbarem Glas, hinter der sich fast schwerelos die einzelnen Funktionsbereiche befinden. "Der Entwurf basiert auf der Vorstellung eines Raumschiffs, das von Tokyo an die Seine kommt und Informationen und Kultur mit sich bringt. Man könnte dieses Raumschiff als einen elektronischen Mechanismus oder einen lebenden Organismus auffassen... Auf die gläserne Fassade lassen sich Bilder projizieren. Auch die Böden und Wände des Gebäudes sind ein Screen , der Informationen übermittelt. Alle Räume werden durch Informationen geschaffen und sind daher temporär. Die komplexe Überlagerung dieser Räume und das Fließen der Informationen sind Ausdruck unserer heutigen grenzenlosen Kultur."Peter L. Wilson reagiert zum Beispiel auf Toyo Itos "Turm der Winde" mit einer Architektur, die er "Elektronischer Schatten" nennt: "Die heutige Stadt ist nicht mehr physisch, sondern unsichtbar und ephemer, allgegenwärtig in elektronischen Impulsen. Komfort ist, für einen Augenblick dieser Bombardierung durch elektronische Reize entfliehen zu können - in eine Zone der geringsten elektronischen Interferenz . Die Architektur ist diesen zeitgenössischen Bedingungen noch nicht gewachsen. Die cartesianische Geometrie ist für die Elektronik untauglich... Das Haus ist ein schwarzes Loch, ein elektronischer Schatten, eine Ninja-Architektur . Im Inneren des schwarzen Objekts befindet sich, unsichtbar von außen, ein schützender Unterschlupf gegen elektronische Bestrahlung... Der Turm der Winde ist ein außergewöhnliches, ein ephemeres Objekt. Das Haus existiert als sein Schatten, respektvoll, ängstlich, optimistisch." Dekonstruktion ("Dort wo der Raum aufhört, beginnt Architektur." )Der Künstler Gordon Matta-Clark, der die Häuser zerteilte und zerstückelte, und der Architekt Frank O. Gehry, der die Box - die "Schachtel" zerstört und wieder neu zusammengesetzt hat, sind neben dem Philosophen Jacques Derrida als die Begründer einer Architekturrichtung zu sehen, die als dekonstruktivistische Architektur - von Phil Johnson anläßlich einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art 1988 erstmals so bezeichnet - bekannt geworden ist. Zu ihren Vertretern werden heute neben Gehry Zaha M. Hadid, Coop Himmelb(l)au, Bernhard Tschumi, Daniel Libeskind, Rem Koolhaas und Peter Eisenman gezählt. Sie beschäftigen sich mit den unsichtbaren, verborgenen Strukturen gesellschaftlicher Tatsachen und deren Repräsentation in Architektur. Derrida, der den Begriff der Dekonstruktion in Zusammenhang mit seiner Sprachphilosophie, der Grammatologie eingeführt hat, geht es bei diesem Begriff nicht bloß um eine architektonische Metapher, sondern um das Dekonstruieren von Tradition. Ein dekonstruktivistischer Vorgang ereignet sich immer dann, wenn zum Beispiel die externe Vorherrschaft von traditionellen Werten (Ästhetik, Funktionalität) demontiert, untersucht, kritisiert, vor allem aber wieder neu (in die Architektur) "hineingeschrieben" wird: Wenn man von der These ausgeht, daß Architektur zeitrichtig sein soll und immer das ausdrückt, was die Gesellschaft, die Welt an Geistigkeit zur Verfügung hat, dann darf man sich nicht wundern, daß die Architektur so aussieht, wie sie heute aussieht. Wir denken eben, die Spannung und Komplexität sind wesentliche Aussagen der Jetzt- Zeit, daher sollte Architektur Spannung und Komplexität widerspiegeln. Das geht aber nicht, wenn man sich der Architektur mit additivem Denken nähert." Für den Wiener Europaplatz haben Coop Himmelb(l)au 1991 einen "Medienturm" konzipiert, dessen Fassade aus vier zum Teil elektronischen Schichten besteht, die jeweils verschiedene Informationsbereiche abdecken: die neutrale, materielle Schicht der gebauten Architektur; die Schicht mit Information über die Umgebung (Wetter, Temperatur, Datum, Zeit etc.); die Schicht der "Mutation", die auf Bewegung bzw. An- oder Abwesenheit der Menschen rundum reagiert; die "kommerzielle Schicht für Anzeigen und Werbespots. Ähnlich arbeiten die Architekten bei ihrem derzeit in Dresden im Bau befindlichen Kino für die UFA: Kino wird hier zum tatsächlichen urbanen Raum. Das Gebäude läßt durch seine durchgehende Transparenz den äußeren städtischen Bereich in sein Inneres. Die Fassaden bestehen aus dünnen Membranen, welche durch Schichten von Licht und Farbe von außen Einblick auf das Tummeln der Menschen gewähren.Die Grenzen von außen und innen sind dabei aufgehoben, was außen war, wird zum Innen, und umgekehrt, nichts mehr ist an seinem gewohnten Ort. Die Auflösung der Idee einer dreidimensionalen Räumlichkeit mit ihren traditionellen physikalischen Gesetzen wie Schwerkraft oder Materialstärke erfolgt transformatorisch in die für den Bruchteil einer Sekunde zum Stillstand gebrachte Bewegung, in ein Standbild aus einem Motion Picture. Geschwindigkeit, Auflösung von Raum und Zeit und Unterminierung gesellschaftlicher Strukturen sind jene Kennzeichen, die von Idealisten immer noch als das demokratische Potential des digitalen Netzes bezeichnet werden. "Which is to say that since you are putting some filtre to the given conditions, a process of screening through information, what you get is by no means the only information. There is always some noise. Always some other possibility." Der japanische Architekt Keichi Irie spricht von den Fehlern und dem Rauschen, das seinem elektronischen Werkzeug, dem Computer, inhärent ist. Wenn er Architektur im Computer entwirft, geht er gleichzeitig von der Kreativität solcher Fehlerquellen aus: "Previous schemes of architectural planning and design lack this tolerance of noise and errors. Moreover, we can actually see this in the city around us." Sein Selbstverständnis eines Architekten führt daher weiter als bis zum bloßen Baukünstler. So wie andere Architekten den Begriff der Dekonstruktion in ihren Entwürfen umsetzen, geht er weiter und dekonstruiert das ganze Genre der Architektur und fragt: "Ultimately, then, where is your real work? In the computer or the construction, the database input or the terminal output? You seem to continually switch modes back and forth like a cyberpunk..." Der Ort der Architektur verschwindet allmählich, wie sich Raum und Zeit in der Telekommunikation auflösen. Überall zur gleichen Zeit und immer am selben Ort. In L.A., der Stadt, wo sich dekonstruktivistische Architektur mit den Ausläufern des Silicon Valley trifft, ließ die Werbeagentur Chiat/Day Inc. ihr neues Headquarter in Culver City von Frank O. Gehry bauen und gleichzeitig von der Art Technology Group in Boston (Jeet Singh und Joseph Chung) ein elektronisches Kommunikations- und Netzmodell erarbeiten, das eine völlig neue Form des Büroalltags schaffte: die sogenannte "student union" besteht aus einem ganzen Stockwerk, in dem sich die Angestellten frei bewegen und in komfortablen Zellen vermischen können. Sie arbeiten in großen, offenen Projekträumen ohne festgelegte geographische Arbeitsplätze - oder sogar zu Hause - und sind mit allen Mitarbeitern ständig vernetzt und in telekommunikativem Kontakt. Jeder Angestellte ist mit einem tragbaren Computer ausgestattet und somit jederzeit und überall erreichbar und verfügbar. Der Cyberspace wird hier in einer perfekten Kooperation der "realen" Architektur Gehrys mit der virtuellen "Architektur" von Singh und Chung hergestellt. Das Film-Setting von "Disclosure" hat dabei allem Anschein nach Anleihe an der Realität genommen. Und Frank Gehry baut zur Zeit die Walt Disney Concert Hall mitten in Downtown Los Angeles, ein Bau, der fast vollständig von Computern nach Vorgaben des Architekten errechnet und konstruiert wurde; darüber hinaus soll die gesamte Materialberechnung, Kostenrechnung und organisatorische Struktur mithilfe eines einzigen Softwareprogramms durchgeführt worden sein. Das Bewußtsein von Stadt und das Bewußtsein der Stadt selbst werden sich gezwungenermaßen radikal verändern. Der Architektur als Körper und dem (menschlichen) Körper als Maschine kommt dabei eine neue Rolle zu, die die Auflösung des Innen und Außen prägnant eingeschrieben bekommt. Im dekonstruktivistischen Sinn wird der neue Text (mit den gleichen alten Inhalten?) so wiederum in eine Struktur des digitalen Codes eingeschrieben. Film und Entertainment sind dabei, in unglaublicher Geschwindigkeit Teil unserer möglichen Vorstellungen von Welt zu werden, und sie besetzen immer mehr jene Teile unserer Köpfe, die diese Struktur (die auch Grundlage für jede VR-Welt ist) aufbrechen und neu formen könnten. Alles, alles ist besetzt von EINER Information: the massage is digital. (Dieser Beitrag verwendet auch Auszüge meines Aufsatzes "Architektur und Elektronik", der in "Ars Electronica 94 - Intelligente Ambiente", Wien 1994, erschienen ist.) |